Montag, 7. September 2009

Teil 11


Ich bin geschockt und verwirrt! Übernehmen jetzt die Schweine die Show?

Da sitze ich hier völlig entspannt vor dem PC und lese genüsslich die Beiträge im Buch ohne Ketten – und dann diese Beiträge meiner Gattin! Sabine, die Tränenvase bitte!

Habe ich, als ich ihr vor 33 Jahren das Ja-Wort gegeben habe, absehen können, dass sich aus diesem zarten Wesen nach ihren eigenen Worten „ein bärtiges Primatenweibchen mit hutzeliger Wrestlerfigur und Stimmungsschwankungen“ entwickelt, dass auch noch von einer Horde bösartiger Schweine verfolgt und unaufhaltsam von schubweise auftretender kreativer Energie getrieben wird? Da ich die meisten dieser angeblichen Veränderungen nicht sehen kann, muss bei einem der Beteiligten eine Wahrnehmungsverzerrung vorliegen – bei wem bloß?

Sollte meine liebe Gattin nicht so unverfroren sein und heimlich meine Rasierutensilien für ihre eigenen Zwecke verwenden, (wieso ist der Rasierschaum eigentlich immer so schnell leer?) so würde ich den von ihr gewählten Ausdruck „bärtiges..“ schon mal als ziemlich arge Übertreibung abtun. Da wir Menschen biologisch zu den Primaten zählen, ist gegen den Ausdruck „Primatenweibchen“ allerdings nichts einzuwenden.

Auch wenn meine Gattin (was auch zum Zeitpunkt unserer Hochzeit so war) selbst auf einer Fußbank stehend nicht meine Körpergröße erreicht, so würde ich sie bestimmt nicht als „hutzelig“ bezeichnen. Zum Glück ist meines Wissens auch kein Wrestler unter den Autoren oder in unserem Bekanntenkreis, da diese sich sonst sicher schon über den Vergleich erregt hätten.

Das mit den Stimmungsschwankungen will ich nicht in Abrede stellen. Da diese aber in einem gewissen Maß hormonell bedingt und nicht nur auf das weibliche Geschlecht beschränkt sind, nehme ich sie mehr oder weniger gelassen hin.

Sollte meine Gattin allerdings der Versuchung erliegen, sich eine Blümchenbadekappe zuzulegen, so müsste ich wohl einschreiten oder mir aus Solidarität auch so ein Gummiteil über die schütteren weißen Haare stülpen.

Da auch ich im Lauf der Jahrzehnte dank der herausragenden Kochkünste meiner lieben Frau und meiner Fresssucht von Kleidergröße 98 inzwischen auf Größe 52/54 angeschwollen bin, dürften wir also beim Baden (mit oder ohne Kappe) ähnliche Wellen schlagen.

Sofern ich nicht wegen meines greisen Alters mit absoluter Blindheit geschlagen bin, obwohl auch hier ein gewisser Verschleiß nicht zu verleugnen ist, so konnte ich bisher in unserem Badezimmer auch noch keine Packung „Tena-Lady“ entdecken. Meine Gattin hat da wohl auch der möglichen biologischen Entwicklung sehr weit vorgegriffen. Wie heißt eigentlich das vergleichbare Produkt für uns undichte Tattergreise?

Die Sache mit den bösen Schweinen ist wohl mit meiner Bitte um Verwertung als leckerem Schweinebraten nicht aus der Welt zu schaffen. Zu meinem Leidwesen scheinen diese Lebewesen, die auch unter der Bezeichnung „Schweinehund“ bekannt sind, in einer Anzahl die Erde zu bevölkern, die der Anzahl der lebenden Menschen entspricht – und sie haben auch noch die unangenehme Eigenschaft, sehr anhänglich zu sein.

Jetzt haben wir schon eine Schweinegrippe-Epidemie, doch das hat leider offenbar keinen Einfluss auf diese Spezies – jedenfalls ist mir in den Medien noch kein Bericht über eine Gefährdung dieser Tierart in die Augen gesprungen. Sollte ich vielleicht doch mal meine Augen überprüfen lassen?

Ich glaube also, dass wir einfach versuchen müssen, diese Rasse zu domestizieren und sie als Haustiere wie Hund und Katze zu halten. Da wir Menschen ja gelernt haben, diese Tiere als Freunde anzusehen, müsste uns das doch auch bei den Schweinehunden gelingen, oder?

Dann könnten wir ja gemeinsamen mit unseren Schweinen nackt auf der taubenetzten Wiese unsere Namen im Morgendunst tanzen. Wenn die Schweine verzückt im Reigen rumhüpfen könnten wir vielleicht die Chance nutzen und sie allein im Wald zurücklassen.

Was an den Ausführungen meiner Gattin voll zutrifft, sind die nicht vorhersehbaren und wie eine Naturgewalt über sie und mich hereinbrechenden Umgestaltungsaktionen.

Dabei muss ich ihr allerdings zugestehen, dass die Änderungen durchweg ein gefälliges Ergebnis hervorbringen. Geschmack hat sie ja! (Aber warum kann es dann nicht so bleiben?)

Man mag meinen, dass ich mich in 33 Jahren daran gewöhnt habe – doch weit gefehlt! An Erdbeben oder Flutwellen kann man sich ja auch nicht gewöhnen.

Ich bin ja eigentlich eher der beständige Typ, der sich mit dem was er hat arrangiert und dann auch nicht mit Neuerungen belästigt werden will.

Habe ich mich also endlich so richtig gut eingelebt und mich an Wandfarben, Gardinen und Standort der Möbel gewöhnt, so droht schon bald Ungemach, denn die Zeit, die ich zur Gewöhnung brauche scheint fast identisch mit der Zeitspanne zu sein, die meine liebe Frau ohne Veränderung überleben kann.

Da meine Gattin mich nach den langen Ehejahren ganz gut einschätzen kann, ist sie inzwischen dazu übergegangen, die Ideen oft allein auszubrüten und mich dann zu überraschen. Was soll ich dann noch machen, wenn ich von der Arbeit komme und völlig unvorbereitet über Farbeimer stolpere? Ich biete ihr für den Rest der Arbeit meine Hilfe an und freue mich auf die ruhige Zeit bis zum nächsten Anfall. Jeder andere Weg würde fast automatisch in eine Ehekrise führen – und das wäre das größere Übel, oder etwa nicht?

Dieser Veränderungswahn wirft in mir aber immer auch die Frage nach dem WARUM auf, denn eigentlich ist das doch nicht normal, oder? Wann kommt der Zeitpunkt, an dem auch ich nicht mehr in die neu gestylte Wohnung passe und durch ein anderes Modell ersetzt werde? Oder bin ich so langweilig, dass Bine sich an den wehrlosen Wänden oder am Fensterkleid abreagieren muss – oder haben vielleicht doch die Schweine ihr dreckig Pfoten im Spiel? Wenn ich Glück habe, werde ich vielleicht auch nur in einer neuen Farbe gestrichen oder mit neumodischen Klamotten ausstaffiert, die dann meine geliebten Anzüge wenigstens zeitweise ersetzen sollen – was das alles wieder kostet!?

Als ich mir eben den letzten Satz noch einmal durchgelesen habe, fiel mir ein, dass es sich bei der beschriebenen Veränderungswut der holden Weiblichkeit wohl doch um eine genetische Veranlagung handeln muss, denn welcher Mann käme selbst auf die Idee, sich alle paar Monate die Haare in einer anderen Farbe zu tönen oder je nach Anlass sein äußeres Erscheinungsbild durch Auftragen von Farbe auf die Gesichtshaut zu verändern – von den Indianern auf dem Kriegspfad mal abgesehen, wobei es denen wohl um Abschreckung ging?

Es könnte natürlich auch sein, dass die ständige periodische Veränderung seines Umfelds und des eigenen Erscheinungsbildes völlig normal ist, und wir Männer nur nicht erkennen, dass es eines dieser ominösen Schweine ist, die uns ständig ins Ohr flüstern, dass es sich wohl um eine Fehlfunktion bei den Damen handeln muss.

Also Männer, akzeptiert diese kleine und wirtschaftsfördernde Marotte der besseren Hälften, denn wer mit der Planung neuer Raumgestaltungen beschäftigt ist, will doch nur das eigene Nest herausputzen und damit uns Männern ein gemütliches Heim schaffen – oder wollen sie austesten, wie leidensfähig wir sind.

Ein sich nicht beschwerender Henning